Harveys neue Augen

„Der Weg zur Hölle ist gepflastert mit guten Absichten.“

Dieses Mal möchte ich mich wieder einem neuen Medium widmen, das durchaus polarisiert. Es handelt sich um ein Computerspiel. Meine ersten Berührungen mit dem Genre hatte ich schon als kleiner Junge, damals waren sowohl die Handlung als auch die Grafik recht einfach. In der Zwischenzeit hat sich eine riesige Welt entwickelt. Die simple „rettet die Prinzessin“ Geschichte ist zwar immer noch in vielen Spielen die entscheidende Motivation zur Handlung ( es gibt einen wunderbaren, kritischen Youtube Kanal, der leider nur in Englisch ist: „Tropes vs Women in Video Games). Aber es gibt auch eine Fülle an Alternativen. Es Sind Männer, Frauen, Kinder, Tiere und Wesen jeglicher Art, die man auf ihrer Reise begleiten kann.

So ist auch Harveys neue Augen ist in vielerlei Hinsicht eine Ausnahme von der Regel. Es ist 2011 bei dem deutschen Label Daedalic Games erschienen, das eine ganze Reihe wunderbarer Videospiele herausgebracht hat. Ich habe bei mehr als einem davon schön geschluckt. Man könnte Harveys neue Augen zusammenfassen mit dem Sprichwort: „Der Weg zur Hölle ist gepflastert mit guten Absichten.“. Wir spielen die Klosterschülerin Lili, von der wir nur unter Umständen jemals hören werden, dass sie selbst etwas sagt. Lili möchte es gerne allen recht machen und ganz im Gegenteil zum realen Leben hat das im Spiel für alle anderen haarsträubende Konsequenzen. Ohne das jemals Blut zu sehen ist hat dieses Spiel eine höhere Anzahl von Leichen als mancher Shooter. Da Lili nie zu Wort komm gibt es einen allwissenden Erzähler, der ihre Handlungen immer wieder mit sehr viel schwarzem Humor kommentiert.

Im Laufe des Spiels muss Lili immer wieder hypnotisiert werden und im Trancezustand innere Blockaden überwinden, die ihr helfen die Rätsel im Spiel zu überwinden. Da muss mit Justitia diskutiert werden, ein Zauberer wütend gemacht und ein Wendigo enthaart werden. Dabei ist die Darstellung des Trance Zustandes meiner Meinung nach unglaublich treffend.

Besonders schön ist das Ende. Es hat den leisesten Knalleffekt, den ich jemals in einem Videospiel erlebt habe. Zu meiner Schande muss ich gestehen, dass es so unerwartet war, dass ich eine Weile gebraucht habe, um es zu verstehen, dafür muss ich immer noch lächeln, wenn ich daran denke. Harveys neue Augen ist ein wunderbarer bonbonbunter Trip mit vielen Momenten, in denen man nicht weiß, ob man lachen oder weinen soll. Und nicht zuletzt eine Hommage an die Kraft der eigenen Stimme. Lassen Sie sich ein, lassen Sie sich überraschen.